Kampf um die Würde der Sterbenden

Corona betrifft die Palliativ- und Hospizarbeit und erschwert diese teils

Erschienen im Lokalteil der Pforzheimer Zeitung vom 12. Januar 2021.
Autor: Tim Rudeck

Wie funktioniert die Begleitung von Sterbenden derzeit?

Kaum ein Bereich des gesellschaftlichen Miteinanders bleibt unberührt von der Pandemie. Die Begleitung von Menschen, die im Sterben liegen oder im Rahmen einer palliativen Pflege betreut werden, macht da keine Ausnahme. Doch wer mit Mitarbeitern des Ambulanten Hospizdienstes im östlichen und westlichen Enzkreis spricht, lernt schnell, wie wenig sich diese bemerkenswerten Menschen ihr Nächstenliebe von Corona nehmen lassen. Denn deren Arbeit findet weiter statt. Wenn auch unter erschwerten Bedingungen.

Als zwei von insgesamt 240 ambulanten Diensten, wie auf der Internetseite des Hospiz- und Palliativverbandes Baden- Württemberg zu lesen ist, sind die hauptamtlichen Mitarbeiter und vielen ehrenamtlich Engagierten des Ambulanten Hospizdienstes Westlicher beziehungsweise Östlicher Enzkreis in Bereichen unterwegs, vor denen viele Menschen Furcht haben. Sie stehen am Bett Schwerkranker und Sterbender, an der Seite von Angehörigen und begleiten trauernde Menschen. Nicht als medizinisches Fachpersonal. Man sieht sich als Entlastung der Angehörigen, des Pflegepersonals und natürlich für die Betroffenen.

Unerträgliche Situation

Hannelore Stegmaier ist von drei Koordinatorinnen des Ambulanten Hospizdienstes Östlicher Enzkreis. Sie berichtet von einer unerträglichen Situation, die Corona mit sich bringt. Denn besonders während des ersten Lockdowns, als zahlreiche Pflegeeinrichtungen Besucher und angehörige von Patienten nach Hause schicken mussten, habe man sich einer nie dagewesenen Situation stellen müssen: „Es ist sehr schwergefallen, zu sehen, dass Menschen nicht in die Krankenhäuser oder Einrichtungen gehen konnten, um sich von Sterbenden verabschieden zu können oder zu trauern“, berichtet Stegmaier.

Aktuell existieren aber Ausnahmeregelungen, man acht bei Besuchen stets penibel auf die Einhaltung aller Hygieneregeln. Was Stegmeier besonders betont, ist der Wert der funktionierenden und engen Zusammenarbeit zwischen den Ärzten, Krankenhäusern, dem Pflegepersonal sowie Palliativstationen und -einrichtungen. Einrichtungen, wie das Pflegeheim Haus Talblick in Salmbach.

Dessen Direktor Christoph Schütze bestätigt die gute Zusammenarbeit mit dem Hospizdienst und zeigt sich dankbar. Schon während des ersten Lockdowns habe man mit einer Ausnahmeregelung den Besuch sterbender oder palliativ gepflegter Menschen ermöglichen können. Es wurde ein Besuchsmanagement eingeführt. Jeder Besuch muss 24 Stunden zuvor angekündigt werden. Die Angehörigen unterziehen sich dann vor Ort einem Schnelltest. Fällt der negativ aus, kann der Besuch stattfinden. Jedoch ausschließlich in den jeweiligen Besucherzimmern und nur wenn die entsprechende Schutzkleidung getragen wird. Verschlechtert sich der Zustand eines Bewohners plötzlich, werden Besuche auch ohne vorherige Anmeldung ermöglicht: „Es ist einfach wichtig, zu zeigen, dass die Menschen nicht alleine gelassen werden“, so Schütze. So sei es falsch, dass alle Pflegeheime geschlossen hätten. Es gebe viele Heime wie das Haus Talblick, die dafür kämpften, dass man in dieser für alle schwierigen Situation dennoch eine würdevolle Sterbebegleitung bieten könne. Doch was bedeutet das?

Eine Kollegin Hannelore Stegmaiers, die für den Ambulanten Hospizdienst den westlichen Enzkreis betreut, ist Ute Sickinger. Wie auch Stegmaier ist die 49-jährige als hauptamtliche Koordinatorin tätig. Ihr Ansatz für eine würdevolle Begleitung orientiert sich an den Betroffenen: „ Ich versuche die Menschen dort abzuholen, wo sie gerade sind.“ Das bedeute für Sickinger, sich selbst zurückzunehmen. Halte ein im Sterben liegender Mensch etwa an der Hoffnung auf eine etwaige Therapie fest, so sei es nicht an ihr, diese Hoffnung zu zerstören.

Besonders wichtig ist es ihr, festzustellen, dass die Arbeit der Hospizdienste weiterhin stattfindet. Und Sickinger betont, dass an der Arbeit viele Menschen Anteil haben: „Wir unterstützen die Menschen, die die eigentliche Arbeit leisten. Ob das die Putzkraft im Krankenhaus ist, der Hausarzt oder die Pflege.“ Wir – das seien die hauptamtlichen Mitarbeiter und die vielen ehrenamtlichen Menschen, die die Sterbenden auf ihrem letzten Weg begleiten.