Sterben muss nicht traurig sein

Manche der Geschichten sind lustig und bringen das Publikum zum Lachen, andere machen betroffen, traurig und nachdenklich. Eines haben alle gemeinsam: Sie handeln vom Sterben, vom Umgang mit dem nahenden Tod, von den letzten Tagen im Leben eines Menschen. 

Was Petra Frey mit viel Empathie in kunstvoll geformten Versen erzählt, hat sie selbst erlebt: als ehrenamtliche Sterbebegleiterin in einem Hospiz. In ihrem Buch „Sterbemund“ zeigt sie eindrucksvoll, dass der Tod nicht nur mit Schmerz und Trauer verbunden ist, dass in der Hospizarbeit nicht nur gejammert und geweint wird. Im Gegenteil: Auch die Fröhlichkeit, das gemeinsame Lachen und die wohltuende Erinnerung an schöne Tage haben ihren Platz. 

Als die Autorin am Donnerstagabend beim ambulanten Hospizdienst westlicher Enzkreis aus ihrem Buch liest, sitzen viele ehrenamtliche Sterbegleiter im Publikum. Immer wieder sieht man sie zustimmend nicken, wenn ihnen die geschilderten Erfahrungen aus ihrer eigenen Tätigkeit bekannt vorkommen. Etwa, als es um einen Begriff geht, mit dem sich Frey gleich bei einem ihrer ersten Einsätze im Hospizverein konfrontiert sah: Die Enkel einer schwer kranken 90-jährigen Dame bezeichneten sie als „Frau von der Sterbehilfe“, verbunden mit dem Hinweis, dass die Oma keinen „Pfaffenkopf“ an ihrem Bett wolle und mit der Kirche nicht viel zu tun habe. 

Wenn Frey von der Dame erzählt, dann spricht sie voller Wertschätzung und Achtung. Man merkt, dass ihr jeder Mensch am Herzen liegt, den sie auf dem letzten Weg begleitet. Dass sie vor rund 15 Jahren zur Hospizarbeit kam, liegt auch am frühen Tod ihrer eigenen Eltern. Während sie sich von ihrem Vater wegen der schwierigen Umstände im Krankenhaus nicht verabschieden konnte, durfte sie ihre Mutter im Hospiz bis zum Schluss würde- und respektvoll begleiten. 

Für Frey war das ein einschneidendes Erlebnis, das sie dazu bewogen hat, sich neben ihrem Hauptberuf als Schauspielerin ehrenamtlich als Sterbebegleiterin und als Koordinatorin auf der Palliativstation einer Klinik zu engagieren. Oft hat sie dabei erlebt, dass Menschen sich ihr anvertrauten, dass sie vor ihrem Tod unbedingt noch etwas loswerden wollten, dass sie bis dahin niemandem gesagt hatten. 

Einzigartige Einblicke

 Anschaulich und mit viel Fingerspitzengefühl beschreibt Frey in ihrem Buch die entsprechenden Szenen und Situationen. Etwa die unablässig qualmenden Räucherstäbchen einer esoterisch angehauchten Seniorin, die ihr trotz fortschreitender Demenz erzählt hat, dass sie ihren Mann eigentlich nur geheiratet habe, um ihrer ersten und einzigen großen Liebe nahe zu sein: ihrer Schwägerin. 

Nicht nur einmal betont Frey, dass jedes Leben einzigartig und wertvoll ist. Auch das der 54-jährigen Frau, die an Bauchspeicheldrüsenkrebs leidet und kurz vor ihrem Tod all die Chancen bereut, die sie nicht genutzt hat. Ganz anders ist es bei der Diva, die in ihrem Bett Hof hält, die mit Freunden bei Schnittchen und Prosecco feiert, große Dichter rezitiert und das Sterben wie die Schlussszene eines Hollywood-Films inszeniert. 

Frey findet es schade, dass viele Menschen keine Vorsorge für den eigenen Tod treffen, obwohl er früher oder später sicher eintreten wird. Was dazu führen kann, dass die An- und Zugehörigen überfordert sind und nicht wissen, welche Entscheidung sie treffen sollen. Vermeiden lässt sich das mit einer Patientenverfügung, die es im Internet kostenlos zum Herunterladen gibt. Auch Frey hat eine ausgefüllt – und dabei unter anderem festgelegt, dass sie immer warme Füße haben will. Denn: „Kalte Füße habe ich noch lange genug, wenn ich in der Kiste liege.“ Mehr Informationen im Internet unter: www.sterbemund.de


Artikel von Nico Roller